Er war einer der führenden Köpfe in der theoretischen Astrophysik und in der bundesdeutschen Forschungspolitik: der Physiker Rudolf Kippenhahn. Im November 2020 verstarb der Wissenschaftler im Alter von 94 Jahren. Bekannt wurde er durch seine Arbeiten zur Entwicklung von Sternen, als langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Astrophysik und als Autor populärwissenschaftlicher Bücher.
Zu seinem 1. Todestag möchte ich noch einmal aus ganz persönlicher Sicht an ihn erinnern. Rudolf Kippenhahn studierte Physik und Mathematik. Als er seinen Doktortitel (1951) erwarb war ich noch nicht einmal geboren. Hier und hier können Sie seinen Werdegang und vieles über seine großen Lebensleistungen nachlesen.
Für mich kannte der Wissenschaftler und Forscher, der Astrophysiker, der Professor, der Institutsleiter des Instituts für Astrophysik, der Direktor einer Universitätssternwarte, der Vorsitzende der Astronomischen Gesellschaft und Karl-Schwarzschild-Medaillenträger sowie Träger vieler anderer Auszeichnungen und Vizepräsident der Astronomischen Union die Vorgänge im Kosmos bildlich gesprochen wie seine eigene Westentasche. Diesem „Ausnahmemenschen“ vertraute ich und tue es noch immer.
So wurde meine Vorstellung von den kosmischen Vorgängen durch sein 2003 erschienenes Buch „Kosmologie für die Westentasche“ berichtigt und erweitert. Schon im Juni 1998 stellte er mein in vielen Jahren erworbenes Weltbild auf den Kopf. Glaubte ich doch verstanden zu haben, dass die Welt im Urknall aus einer viel kleiner als winzig zu nennenden Singularität entstanden sein müsse. Denn ich hatte als Amateurastronom selber viele Beobachtungen mit meinem Teleskop im nahen und tiefen Weltraum machen können und mir darüber so meine Gedanken gemacht.
Doch weit gefehlt. Im „Starobserver“, einer Zeitschrift über Astronomie und Weltraumforschung Ausgabe 6/98, erschien in der Rubrik „…so sehe ich das jedenfalls“ bzw. „Kurioses aus Kippenhahns Kosmos“ ein Artikel von Rudolf Kippenhahn unter dem Titel „Mein Urknall“. Darin räumt er gründlich mit der Vorstellung eines Urknalls von einem Punkt aus auf. Und so wie er, verstünden auch die meisten Physiker den Urknall, schrieb er.
Nach allen Beobachtungen, nach den bisher bekannten Naturgesetzen und unter Einbeziehung der Relativitätstheorie kam auch er zu dem Bild einer Urexplosion vor endlicher Zeit. Doch zu seinem Bild vom Urknall schrieb er folgendes im oben erwähnten Artikel. Zitat:“Bei meinem Urknall (zumindest in seiner einfachsten Form) war am Anfang ein unbegrenzter Raum mit Materie unendlicher Dichte gefüllt. Mit dem Urknall flog die Materie auseinander. Kein Punkt war ausgezeichnet, nirgendwo war eine Mitte. Von der Nachbarschaft jedes Punktes aus flog die Materie nach allen Richtungen nach außen. In meinem Urknall bestehen die oben aufgeführten Widersprüche nicht.“
Es sah im Urknall von einem Punkt aus unter anderem Widersprüche zu unseren physikalischen Gesetzen und zur Relativitätstheorie.
Ein Urknall aus einem Punkt heraus funktioniert nur mit einer Inflationstheorie. Inzwischen hat diese abenteuerliche Theorie schon eine 2. Phase hinzubekommen (dazu wird es einen eigenen Beitrag geben). Es wird immer komplizierter und für unseren Verstand immer unbegreiflicher. In Kippenhahns Kosmos hat es einer Inflation nicht bedurft und trotzdem lassen sich die gemachten Beobachtungen gut erklären.
Mir gefiel, das Rudolf Kippenhahn sich im Mainstream der Wissenschaft ein klares Denken bewahrte. Es war ihm gegeben. komplizierteste Vorgänge in der Entwicklung des Kosmos sehr verständlich erklären zu können. Und es ist ihm mit der Beschreibung von Widersprüchen zu den Naturgesetzen im Standardmodell der kosmologischen Entwicklung gelungen, unser Nachdenken und Forschen nicht immer weiter in eine Sackgasse führen zu lassen.
So sehe ich das jedenfalls.