Materie besteht nicht aus Materie?

„Materie besteht nicht aus Materie“ Diese Feststellung treffen Dr. Josef M. Gaßner und Prof. Dr. Harald Lesch in ihrem Buch „Urknall, Weltall und das Leben“. Wie das gemeint ist, dazu befragt Werner Huemer in einem Interview Dr. Josef M. Gaßner. Das Interview hat noch weitere Themen angesprochen. Mir hat aber die kurze und anschauliche Erklärung des aktuellen Wissenstandes des Aufbaus der Materie so gefallen, dass ich dies hier einmal mit meinen Wort wiedergeben wollte.

Quelle: YouTube „Materie besteht nicht aus Materie“ ¦ Josef M. Gaßner und die Welt des Kleinsten

Dr. Josef M. Gaßner ist Grundlagenforscher, Kosmologe, Astronom und Sachbuch-Autor. Zusammen mit Dr. Harald Lesch, seines Zeichens deutscher Astrophysiker, Naturphilosoph, Wissenschaftsjournalist, Fernsehmoderator und Professor für Physik, schrieb er in allgemein verständlicher Sprache das Buch: „Urknall Weltall und das Leben“.

Aber lassen Sie mich von vorne anfangen, mit dem, was wir sehen und anfassen können. Dabei entsteht der Eindruck von harter bei manchen Gegenständen auch völlig glatter Materie. Wenn wir aber immer genau hinsehen z.B. mit Lupen und dann mit immer empfindlicheren Mikroskopen löst sich dieser Eindruck im weiter auf. Zunächst werden wir auf sonderbare hügelige Landschaften stoßen, die sich bei weiterer Vergrößerung als aneinander hängende Moleküle entpuppen. Diese Moleküle werden wiederum aus Atomen gebildet. Rastersondenmikroskope können dabei noch atomare Strukturen von weniger als 0,5 nm sichtbar machen. Jeder kleine Buckel ist ein Atom auf einer Oberfläche. Für das „Hinschauen“ auf die Materie ist nun eine Grenze erreicht. Den Aufbau von Atomen kann man nur noch durch indirekte Verfahren ergründen. Aber es geht! Man denke nur an die Nebelkammer. Moderner geht es am Ringbeschleuniger mit seinen riesigen Detektoren zu. Dazu an anderer Stelle mehr. Nun geht das Staunen erst richtig los. Die Atome sind hohle Gebilde, die aus fast Nichts bestehen. Wir haben die Elektronen, die die äußere Schale erzeugen und einen Kern. Das „fast Nichts“ können wir an einem Fußballstadion veranschaulichen: Das Atom sei so groß wie das ganze Stadion. Wenn man sich dann den Atomkern in der Größe eines Reiskorns vorstellt, der auf dem Anstoßpunkt liegt, kreisen die Elektronen  um die obersten Ränge. Dazwischen herrscht Leere.
Der Atomkern selber besteht nun seinerseits wieder aus viel Nichts. Es gibt im Kern Protonen und Neutronen die ihrerseits wieder aus noch kleineren Teilchen, den Quarks, bestehen. Die Quarks werden von Gluone (engl. to glue = Kleber) zusammengehalten.
Da Quarks und Gluonen nicht noch einmal aus anderen Teilchen zusammengesetzt sind, handelt es sich um Elementarteilchen!

Diese Elementarteilchen müssen masselos sein! Ansonsten würde das Standardmodell der Elementarteilchenphysik, fehlerhaft sein. Da man aber mit dieser Theorie sehr genaue Voraussagen machen kann, die in der Praxis auch nachmeßbar sind, wollen die Atomphysiker diese Theorie nicht so leicht aufgeben. So könne mit der Mathematik des Standardmodells das magnetische Moment bis auf 15 Stellen hinter dem Komma berechnen. Beim Nachmessen im Labor erhält man dann wieder genau das gleiche Ergebnis bis zur 15. Nachkommastelle!

Kommen wir nun nocheinmal auf unsere anfängliche Frage zurück: „Woraus besteht die Materie?“. Masse-Teilchen sind ja eigentlich ein Nichts. Dass die Materie aber aus „Nichts“ besteht, wiederspricht unserer eingangs erwähnten Erfahrung, dass man sie sehen und Anfassen kann. Wie bekommen die Teilchen aber nun ihre Masse? Der Schlüssel zur Lösung des Sachverhaltes liegt in der Bewegung der Teilchen, die dadurch eine Bewegungsenergie haben. Nach Einstein läßt sich die Energie nach der Formel e=m·c2 in eine Masse übersetzen. Zusätzlich bewegen sich die Elementarteilchen durch das Higgs-Feld und wechselwirken mit ihm, wodurch sie Masse erhalten. Aus der Summe von Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld,
der Bewegungsenergie der Teilchen und der Beachtung einiger quantenmechanischer Regeln entsteht der Eindruck einer festen Materie.

Zum Higgs-Feld werde ich in meinem LHC-Beitrag noch etwas mehr schreiben. Obwohl schon in den 1950er Jahren berechnet und vorausgesagt, konnte das Higgs-Teilchen ja erst unlängst am LHC entdeckt werden.

Meinung: Wenn Wissenschaftler regelmäßig aktuelle Forschungsergebnisse ihres Fachgebietes in einer den interessierten Laien verständlichen Sprache publizieren, kann ich dies nur gut heißen. Bei den beide Physikern Lesch und Gaßner kommt noch dazu, dass sie besonders verständlich erklären können.
Als Amateurastronom konnte ich mir immer nicht vorstellen, wie aus einer Sonne mit vielen Millionen km Durchmesser ein Neutronenstern mit nur wenigen km Durchmesser werden kann. Mit den anschaulichen Beispielen zu den Größenverhältnissen im Atom geht das aus meiner Sicht nun besser.
Auch dachte ich in Anbetracht des riesigen inzwischen bekannten Teilchenzoos, dass ich mir nie merken könnte, wie ein Atom aufgebaut ist. Ein Atom besteht aus Elektronen für die Hülle und einem Kern. Der besteht aus Protonen und Neutronen. Diese wiederum bestehen aus Quarks zusammengehalten durch Gluonen. Quarks und Gluonen sind Elementarteilchen, also nicht mehr teilbar. Fertig. Das ist der heutige aktuelle Wissensstand. Viele weitere inzwischen bekannte Teilchen aus dem Standardmodell der Atomphysik sind zu schwer und haben ein viel zu kurzes Leben, als dass sie etwas zum Aufbau unserer heutigen Materie beitragen würden. Man kann sie nur in Teilchenbeschleunigern für kürzeste Zeiträume erzeugen. Sie zerfallen in Sekundenbruchteilen und sind nur in tonnenschweren Detektoren mit Hilfe statistischer Methoden nachzuweisen. Solche Detektoren findet man am LHC.

Der Large Hadron Collider (Abk. LHC), ist ein Teilchenbeschleuniger am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf. Hierzu werde ich einen weiteren Beitrag schreiben.